Heut komm' ich...mit meiner Schulter!
• Die Schulter – ein Wunder der Natur
• Tipps zur (Selbst-)Behandlung
• Bei chronischen Schulterbeschwerden
Die Schulter – ein Wunder der Natur
Das Schultergelenk hat von allen menschlichen Gelenken den
größten Bewegungsspielraum. Es gilt als das
ideale Kugelgelenk: Der Arm kann weiträumig in 3 Achsen
bewegt, das heißt, angelegt und nach außen gehoben,
nach vorne und nach hinten geführt und schließlich
nach innen und nach außen gedreht werden. In Verbindung mit
dem extrem beweglichen Schulterblatt und dem Ellenbogengelenk
können die unterschiedlichsten Bewegungen
ausgeführt werden: die zarteste Berührung und die
größte Kraftentfaltung, wenn der ganze Körper
z.B. beim Turner um die Schulter bewegt wird.
Faszinierend ist auch, dass der Schultergürtel nur an einem
Punkt (nämlich der Verbindung von Schlüssel- und
Brustbein) fest mit dem Skelett verbunden ist. Die Sicherung und
Führung von Schulter und Arm geschieht fast vollständig
durch Muskeln, Muskelsehnen und Schleimbeutel, die um das
Schultergelenk einen Mantel, die
„Rotatorenmanschette”, bilden. Durch die
Weiträumigkeit der Gelenkbewegungen zeigen diese
Weichteilstrukturen häufig Verschleisserscheinungen wie
Schleimbeutelverkalkungen oder Sehnenrisse.

Jeder 10. Erwachsene hat wiederkehrende oder chronische
Schulterschmerzen. Ursache sind manchmal Unfälle, meist aber
kurzzeitige oder langwährende Überlastungen.
Häufig sind Sportler (Tennis, Volleyball, Golf u.a.) und
Überkopfarbeiter (z.B. Maler) betroffen.
Typisch ist auch, dass die Beschwerden losgehen, wenn
Untrainierte sich plötzlich belasten, wenn Muskeln und
Sehnen, die da oben in der Schulter bisher ein
Dornröschendasein führten, schlagartig
schwere Arbeit leisten sollen: Der Hobbymaler, der die Wohnung
renoviert und alle Decken an einem Tag streichen will. Der
(Hobby-)Tennisspieler, der an einem Turniertag
stundenlang aufschlagen muss. Die Hausfrau/der Hausmann, die(der)
sich entschlossen hat, alle Gardinen auf einen Schwung
abzunehmen. Der Freund, der sich bei der Zahl der Liegestütze
nicht unterkriegen lassen will. Der Unglückliche, der sich
den Knöchel gebrochen hat und nun 6 Wochen mit seinem
Gewicht nicht auf dem kaputten Fuß, sondern auf den
ungewohnten Gehstützen (und damit in seinen
Schultergelenken) hängt.
Die Ursache der Schmerzen findet sich meist da, wo die
Muskel-Sehnenmanschette beim kraftvollen Anheben des Armes
zwischen Oberarmkopf und Schulterdach eingeklemmt werden kann.
Die Sehne des „Obergrätenmuskels” (lateinisch:
Musculus supraspinatus), der oben quer auf dem Schulterblatt
liegt, läuft unter dem Schulterdach über den
Oberarmkopf, um dann an der Außenseite des Schultergelenks
und des Oberarmknochens festzumachen. Wenn dieser Muskel sich
zusammenzieht, hebt sich der Arm seitlich. Zum Schulterdach hin
wird die Sehne durch einen Schleimbeutel (Bursa subacromialis)
geschützt. Beim Zusammentreffen unglücklicher
Umstände quellen Sehne, Sehnenscheide und Schleimbeutel
entzündlich auf und das Anheben des Armes wird
schmerzhaft.
Zu den ungünstigen Umständen zählen neben der
momentanen oder dauerhaften Überlastung
ein – durch Veranlagung oder Verkümmerung
der gegenhaltenden Muskulatur – geringer Abstand
zwischen Oberarmkopf und Schulterdach.

Wenn dieser Reiz- oder Entzündungszustand über längere Zeit besteht, stellen sich zunehmende Weichteilschäden ein: Die aufgequollene, in ihrer Struktur gelockerte Sehne wird ein- oder sogar durchreißen. In Sehnenscheide und Schleimbeutel werden sich (durch Reparaturversuche des Körpers) narbige Verhärtungen und schließlich Verkalkungen entwickeln. Die Beweglichkeit der Schulter wird zunehmend eingeschränkt und es entwickelt sich eine Schultersteife (Dann tut es auch irgendwann nicht mehr weh...).
Was ist also zu tun? Die erste Maßnahme ist, die
schmerzhaften Bewegungen zu vermeiden und die auslösende,
für die Überlastung verantwortliche Tätigkeit
unverzüglich einzustellen! (Auch wenn es, wie so oft,
während des Sports/der Arbeit weniger schmerzt und die
Beschwerden sich eher in Ruhe einstellen). Es soll unbedingt
vermieden werden, auf der betroffenen Schulter zu liegen bzw. zu
schlafen. Die Idee, man könne der schmerzenden Schulter wie
einem eingerosteten Mechanismus durch energisches Durchbewegen
beikommen, ist fatal, wird dabei doch die entzündete Sehne
durch den Knochenspalt wie über ein Reibeisen gezogen und
der Schaden unweigerlich verschlimmert.
In der Akutphase unterstützen kühlende Umschläge
oder Einreibungen und die kurzzeitige Einnahme von
entzündungshemmenden Medikamenten (Ibuprofen, Naproxen,
Diclofenac) das Abklingen des Reizzustandes. Eine Operation ist
in der Regel (noch) nicht erforderlich oder angezeigt, zumindest
nicht, solange der Arm, wenn auch unter Schmerzen, noch angehoben
werden kann und die Sehne nicht gerissen ist. Die Einnahme von
Medikamenten kann bei empfindlichem Magen und Darm oder
Nierenkrankheiten riskant sein.
Bei chronischen Schulterbeschwerden

Oft sind die Beschwerden langwieriger als gedacht und Geduld
ist gefragt. Während sich der Schaden rasch eingestellt hat,
mag es manchmal 4 bis 6 Wochen dauern, bis der Reiz abklingt;
insbesondere wenn sich kleine Sehnen- oder Muskeleinrisse
ereignet haben, die ja abheilen müssen.
Eine gezielte Krankengymnastik versucht, die gesamte, die
Schulter stabilisierende Muskulatur (es gibt immer Muskeln, die
ziehen, und solche, die gegenhalten...) zu kräftigen
und – indirekt – zu bewirken,
dass der Oberarmkopf bei Armhebung nicht so dicht unters
Schulterblatt gezogen wird. Nach der akuten Phase ist eine
beliebte Übung, mit der Hand der betroffenen Seite eine Wand
„hochzukrabbeln” und so mit geringer Muskelbelastung
das Schultergelenk durchzubewegen.
Wenn die Schädigung schwerwiegender ist und/oder die
auslösenden Belastungen nicht vermieden werden
(können), werden sich im Lauf der Zeit tiefere Sehnenrisse
bilden oder die Rotatorenmanschette wird komplett reißen.
Auch solche Verletzungen werden im Lauf der
Zeit – mit
Funktionsverlusten – heilen und die Schmerzen
werden irgendwann nachlassen, doch soweit soll es nicht
kommen.
Deshalb wird der mitbehandelnde Chirurg oder Orthopäde nach
einem erfolglosen konservativen Behandlungsversuch untersuchen,
ob eine Operation erfolgversprechend ist. Eine normale
Röntgenaufnahme zeigt die Knochen (und den Abstand von
Oberarmkopf und Schulterdach), aber nicht Muskeln und Sehnen.
Dazu wird die Kernspintomographie genutzt (auch
Magnetresonanztomographie = MRT), deren Ergebnis in der Regel die
Operationsfrage entscheidet. Die zahlreichen Gelenkuntersuchungen
sind übrigens mit für die manchmal langen Wartezeiten auf eine
Kernspintomographie verantwortlich. Bei nicht zu spätem
Einsatz (und zu hohem Lebensalter) sind die Operationsergebnisse
gut und die volle Funktionsfähigkeit der Schulter kann oft
wieder hergestellt werden.